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Das Bremer Haus

Blick auf Isarstraße in Bremen-Neustadt

Das Bremer Haus ist eine Patchwork-Konstruktion aus dem 19. Jahrhundert – mit dem Ziel, ein  Jedermann-Wohnhaus der hanseatischen Großstadt zu sein. Die Varianten des Bremer Hauses reichen von pompös bis schlicht, von vierstöckig bis zweistöckig (damals sogar oft einstöckig), von auffallend, bis versteckt. Wie auch immer sich ein Bremer Haus dem Betrachter präsentiert, es ist unverwechselbar. Sein Charme regt die Wohn-Fantasie an. Das Bremer Haus macht Lust auf Wohnen und ist darum für viele Menschen das Synonym für Heimat. Die bundesweit höchste Wohneigentumsquote spricht für sich.

 

Das Bremer Haus wurde in seinen Anfängen von angesehenen Architekten belächelt und kritisiert. Dennoch überlebte es diverse Architekturrevolutionen wie z.B. die Charta von Athen und wurde – ganz hanseatisch – im Stillen zum Erfolgsmodell des Städtebaus. Das Bremer Haus kann die Bürger einer Großstadt beheimaten und trotzdem ein lockeres, grünes, verspieltes und einladendes Stadtbild erhalten. Im Bremer Haus findet der Betrachter Highlights aus Klassizismus, Renaissance, Gotik und Jugendstil. Eine Symbiose, die kein anderes Konzept bisher dem Bremer Haus streitig machen konnte. Am nächsten kommen nur die Oldenburger Hundehütte oder das Berliner Mietshaus.

 

Diese Stuckverzierungen entdeckte der Eigentümer eines Bremer Hauses erst nach dem Kauf. In den 70ern hatten die Vorbesitzer sie mit einer abgehängten Decke versteckt. Die kreisrunde Form nennt sich Kartusche.

 

Die Seitenstraßen der Hansestadt sind primär durch den Charakter des Bremischen Architekturerbes noch heute lebendige Museen, die an regenfreien Sonntagen unzählige Passanten zu Flaneuren machen. Das individuelle Fassadenspektakel der meist in Reihe stehenden Bremer Häuser erfreut die Spaziergänger wie ein begehbares Wimmelbuch – nicht ahnend, dass ihre kindliche Begeisterung von den Bewohnern der Bremer Häuser ganz genau wahrgenommen wird. Ein Phänomen, das nur Bremer kennen, die in einem Bremer Haus wohnen.

 

Was definiert das Bremer Haus?

 

Das Bremer Haus ist kein starr genormtes Modell. Manchmal fällt es schwer, es genau zu definieren. Vordergründig ist es 5-8 Meter breit, 8-10 Meter tief, 2-4 Stockwerke hoch und steht giebelseitig in Reihe mit den anderen Häusern. Es befindet sich wenige Meter von der Straße ausgerückt, sodass zwischen Bordstein und Fassade noch Platz für Veranda bzw. Wintergarten oder Auslucht, sowie Zugang zum Souterrain oder gar Garage bleibt. Besonders glückliche Eigentümer haben sogar noch Platz für ein wenig Grün bzw. einen Baum vor der Veranda. Die Fassade ist oftmals, aber nicht zwingend, mit aufwendigem Stuck versehen.

 

 

Steigt man die Treppe hinauf und öffnet die (ggf. doppelflügelige) Haustür, findet man sich in einem Windfang wieder, von dem aus man die hölzerne Treppe hinauf oder in den schmalen Flur daneben zum Wohnbereich des Erdgeschosses gehen kann. Eigentümlich ist – neben der Küche im Souterrain – die Flexibilität des Bremer Hauses; unkompliziert lässt es sich für eine Familie oder für mehrere Parteien einrichten. Aber diese Merkmale reichen nicht, um das Bremer Haus einzufangen.

 

Vielmehr ist es die verspielte Konkurrenz zu den Nachbarhäusern, die das hanseatische Wohnkonzept erst wirken lassen. Wenngleich der gesamte Straßenzug aus Bremer Häusern besteht, sofort sucht das Auge nach der imposantesten Ausführung des Bremer Hauses. Umso unverständlicher ist es, wenn das Haus mit der aufwendigsten Fassade auch jenes mit der größten Vernachlässigung ist. Nicht selten hat das Wasser Risse in die Fassade gezogen, weil die Gesimse und die Stuckarbeiten trotz ihres Alters nicht gegen die Wettereinflüsse geschützt werden. Dabei wären zuverlässige Abdichtungen möglich, ohne die Optik des Hauses zu beeinträchtigen. Im Gegenteil, man würde sie sogar durch Hingabe zum Erhalt herausragen lassen.

In anderen Straßen der Hansestadt erlebt man einen regelrechten Schönheitswettbewerb unter den Bremer Häusern. Die Reihen sind bunt, nicht nur durch die frischen Anstriche, sondern vor allem durch die dekorative Flora auf Veranda und Treppenbereich. Meistens sind es auch jene Straßenzüge, in denen man an Sommernachmittagen die Bewohner auf ihren Treppen antrifft. Hier wird geklönt, wie es sich die Erschaffer des Bremer Hauses beim Entwurf vorgestellt haben. Betrachtet man Bilder von damals vor der Computer-Ära – bemerkt man wie belebt die Straßenzüge in Bremen früher waren. Diese Szenen sieht man heute nur noch bei selbst organisierten Straßenfesten. Es sind nicht mehr viele, aber es gibt sie.

 

Nachteile des Bremer Hauses

 

 

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die Reihen von Bremer Häusern als Handwerker betrachtet. Hier endet die Romantik meistens. So verspielt das Bremer Haus ist, so anfällig ist es auch. Ob an der Fassade, im Keller oder auf dem Dach. Vor allem in der Neustadt ist viel Bewegung im Erdreich, sodass nasse Keller und bedrohliche Risse im Fundament keine Seltenheit sind. Oftmals kann man bei den Häusern der hanseatischen Großstadt auch nicht von einem Fundament sprechen. Das „Fundament“ besteht nicht selten nur aus dem Mauerwerk, der Bereich dazwischen ist hohl oder bloße Erde. Es verwundert somit nicht, dass die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg unzählige Bremer Häuser zu Fall gebracht haben.

 

Während die Wände zum Nachbarhaus dünn und somit hellhörig sind, sind es vor allem auf dem Dach die Anschlüsse, Übergänge und gemeinsamen Schornsteine, die oft zum Streitthema zwischen den Nachbarn werden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Bewohner eines Bremer Hauses einen Wasserschaden hat, obwohl er immer ein vorbildlicher Sanierer war. Schließlich sitzt man als Bewohner eines Bremer Hauses mit seinen Nachbarn immer in einem sehr engen Boot.

 

In der Praxis bedeutet das: wenn der Nachbar ein Sanierungsmuffel ist, läuft das Wasser vom maroden Nachbardach auch mal gerne in das top in Schuss gehaltene Mauerwerk des Vorzeige-Eigentümers. Ist der Sanierungsmuffel nicht einsichtig, muss man feststellen, dass der Weg übers Gericht keine schnelle Lösung bringt, denn Bremer Gerichte sind chronisch überlastet. Hier ist es für viele Besitzer von Bremer Häusern die nervenschonendste Lösung, die Kosten zur Schadenbeseitigung selbst zu bezahlen, obwohl der Nachbar die Schuld daran trägt.

 

 

In vielen Fällen ist der Besitz eines Bremer Hauses somit auch eine hervorragende Schule in Sachen Nachbarpsychologie und Kontrolle des eigenen Egos. Wer beim beim Kauf eines Bremer Hauses Pragmatismus, Geduld und ggf. auch Kosten für den Nachbarn einplant, ist auf jeden Fall gut vorbereitet.

Wie entstand das Bremer Haus?

 

Die imposanten Stuckarbeiten waren ein europäischer Trend der damaligen Baukunst, die im Bremen des 19. Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebte. Der Bremer Architekt, Lüder Rutenberg, der eigentlich Physik, Chemie und Technik studiert hatte, wurde zur Ikone der Bremer Architektur ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Vier von Rutenbergs sechs Brüdern waren Handwerker und sein Vater als Baumeister die tragende Kraft in der Umsetzung von aufwendigen Stuckarbeiten an Bremer Häusern im Sinne des Klassizismus. Darüber hinaus war Rutenberg Mitbegründer der heutigen Großbrauerei Beck‘s ist (damals Kaiserbrauerei).

 

Der ambitionierte Architekt bildete sich in Berlin und Italien in der Stuckateurs-Kunst weiter. Reich an Inspirationen hatte Rutenberg Jr. große Pläne für die Stadt Bremen. Er beantragte beim Bremer Senat die Genehmigung für den Bau von Häusern, die in Größe und Stil den Berliner Mietshäusern ähnelten. Sein Antrag wurde jedoch abgelehnt. Sein Eifer verflog daraufhin jedoch nicht, sondern formte sich zu dem, was heute als das Bremer Haus bekannt ist.

 

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